Leben im Schatten – Mein Alltag als blinder Mensch in Bad Aibling im Juni 2025
Nach einem schweren Autounfall im Jahr 2017 habe ich mein Augenlicht verloren. Seitdem bestreite ich meinen Alltag mit dem Blindenstock und meinem treuen Blindenführhund. Bad Aibling ist meine Heimat – eine Stadt, die mir viel bedeutet. Doch obwohl ich mich hier wohl fühle, stoße ich immer wieder auf Hindernisse, die es mir als Mensch mit Sehbehinderung schwer machen. Der Gehweg und die Straßenüberquerung – tückische Stolperfallen – Leitsysteme, die im Nichts enden. Ein besonders schwieriger Abschnitt auf meiner täglichen Gassirunde ist die Thürhamer Straße auf Höhe Wertstoffhof. Hier gibt es leider keine abgesicherte Straßenüberquerung – weder Ampel noch Zebrastreifen. Beim Überqueren verlasse ich mich allein auf mein Gehör, und manchmal warte ich viele Minuten, bis ich keine Autos mehr höre, um sicher über die Straße zu gelangen. Im Alltag bedeutet das Unbehagen und ständige Anspannung.
Ebenfalls problematisch ist die Münchner Straße Kreuzung Bahnhofstraße. Dort trete ich aus Arkaden heraus auf den Zebrastreifen – leider sind diese Arkaden für Autofahrer sehr schwer einsehbar. Ich verlasse ich mich zwar darauf, dass mein Blindenhund mich führt – doch das Gefühl, „im Dunkeln“ einer wenig einsehbaren Zone zu stehen, bleibt.
Hund im Laden – nicht immer gern gesehen
Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge nach meinem Unfall, als ich viele Geschäfte betrat – mit meinem Blindenführhund. Noch heute gibt es vereinzelte Läden, in denen es ein Zögern gab, mich hereinzulassen oder Fragen zur Hygiene meines Hundes gestellt wurden. Solche Situationen waren beunruhigend und entmutigend. Dabei ist mein Führhund registriert und ausgebildet – ein unschätzbarer Partner für mein eigenständiges Leben. Trotzdem gibt aber auch sehr positive Beispiele: mit dem Taxiunternehmen Wendelstein bin ich regelmäßig unterwegs und habe mit allen Fahrer/innen nur gute Erfahrungen gemacht. Niemals wurde mir eine Fahrt mit meinen Hund verwehrt. In anderen Städten habe ich durchaus bereits des öfteren schlechte Erfahrungen gemacht. Hier in Bad Aibling freuen sich die Fahrer/innen im Gegenteil regelrecht auf meinen Hund.
Bad Aibling: Heimat mit Potenzial
Trotz mancher Schwierigkeiten bin ich begeistert von Bad Aibling: dem vielfältigen Vereinsleben, der Nähe zur Natur, den Menschen, die hier leben. Es ist ein guter Ort zum Leben. Doch Barrierefreiheit beginnt nicht erst bei perfekt ausgebauten Gassen – sie beginnt bei einfachen Maßnahmen: hörbare Ampeln, kontrastreiche Markierungen, gut sicht- und tastbare Wegeleitsysteme, offener Zugang für Assistenzhunde.
Was jetzt noch fehlt – Maßnahmen für mehr Sicherheit und Teilhabe
- Sichere Querungen einrichten, etwa an der Thürhamer und Münchner Straße. Taktile Pflastersteine und akustische Signale wären hilfreich.
- Sichtachsen verbessern – Spiegel oder Sichtfenster in Arkaden erlauben automobilem Verkehr früheres Erkennen von Fußgänger/innen.
- Handlungsempfehlungen für Ladeninhaber: einfache Schulungen helfen, Blindenführhunde zu akzeptieren und Hemmschwellen abzubauen.
- Sensibilisierung der Bürger/innen und Verkehrsteilnehmer/innen – eine Kampagne kann Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig es ist, Menschen mit Sehbehinderung Raum und Zeit zu geben.
Ein Appell an Politik und Stadtgesellschaft:
Ich bin fest davon überzeugt, Bad Aibling kann barrierefreier werden – Stück für Stück. Durch kleine, aber wirksame Schritte kann ich sicherer leben, Mobilität zurückgewinnen und alltäglicher Teil der Gemeinschaft bleiben.
Mein Wunsch ist klar: Ein modernes Bad Aibling, in dem ich mich allein und mit meinem Führhund frei bewegen kann – ohne Angst, Unsicherheit oder Ausgrenzung.
Mein Aufruf: Lasst uns zusammen dafür sorgen, dass Sehschwäche keine Ausgrenzung bedeutet – sondern eine Chance für mehr Menschlichkeit, Rücksichtnahme und Solidarität in unserer Stadt.
Thilo Springer
Hinweis der Redaktion: Der Artikel basiert auf dem persönlichen Erleben eines Menschen, der seit 2017 blind ist und in Bad Aibling lebt. Er regt zu Gesprächen über Stadtplanung, Verkehrssicherheit und gesellschaftliche Offenheit für Menschen mit Behinderung an.