Kein gelber Sack, keine Biotonne – aber jede Menge guter Wille. Warum Mülltrennung im Landkreis Rosenheim zur logistischen Meisterleistung wird und was sich ändern müsste, damit Recycling nicht an den Öffnungszeiten des Wertstoffhofes scheitert.
Wertstoffhoftourismus und andere Absurditäten
„Stell dir vor, du willst recyceln – und keiner holt’s ab.“ So oder so ähnlich lässt sich die Müllrealität im Landkreis Rosenheim zusammenfassen. In Bad Aibling, wie in vielen Gemeinden des Landkreises, heißt das konkret: Kein gelber Sack, keine Biotonne – dafür viel Eigeninitiative. Wer Kunststoffverpackungen oder seinen Biomüll loswerden will, fährt – meist mit dem Auto – zum Wertstoffhof. In der Praxis ist das oft nur eins: umständlich. Wer weder Auto noch Kellerlager hat, steht vor der Wahl zwischen Küchenmief und „Wertstoffhoftourismus“. Gerade für Ältere, Menschen ohne Auto oder Familien mit wenig Zeit ist das alles andere als bürgernah.
Gelber Sack – nicht hier
Anders als in vielen Landkreisen Bayerns gibt es bei uns keinen Gelben Sack zur Abholung. Das liegt nicht an der Unfähigkeit der Kommunen, sondern an einer klaren Entscheidung des Landkreises: Er lehnt das System seit Jahren ab – mit dem Argument, dass die Abgabe am Wertstoffhof die Qualität des Recyclings sichere. Mag sein. Aber
ein Blick auf die Praxis zeigt: Die Recyclingquote steigt dadurch nicht. Im Gegenteil. Viele Verpackungen landen statt dessen im Restmüll. Die Container für Glas und Papier stehen zwar öffentlich zugänglich – aber warum nicht auch für Leichtverpackungen? Die Nachfrage wäre da, die Tonne vermutlich schnell voll.
Von Wasserburg lernen
Besonders absurd wird es beim Bioabfall. Die Recyclingquote für Bioabfall im Landkreis Rosenheim liegt bei gerade einmal 1,6 kg pro Kopf und Jahr *. Im Bundesdurchschnitt sind es 67 kg, in Wasserburg sogar 88 kg! Warum? Weil es dort eine Biotonne gibt. Nicht jeder hat Platz oder Lust zum Kompostieren. Vor allem nicht in der Mietwohnung ohne Garten. Und auch nicht in Wohnanlagen, in denen ein Komposthaufen eher zum Nachbarschaftsstreit als zur Humusproduktion führt. Eine Biotonne wäre hier nicht nur pragmatisch, sondern auch ein Zeichen dafür, dass nachhaltiges Handeln nicht vom Wohnort abhängt.
Sauberkeit geht anders
Natürlich bringt eine Umstellung auch neue Herausforderungen mit sich. Stichwort: Fehlwürfe in der Tonne. Gerade im Bioabfall finden sich leider immer wieder Plastiktüten, Verpackungen oder sogar Windeln. Die Folge: der ganze Containerinhalt wird verbrannt. Doch statt sich davon entmutigen zu lassen, braucht es Aufklärung, gezielte Kontrollen – und ganz einfach: gute Systeme. In anderen Landkreisen
funktioniert das längst. Warum sollte es bei uns nicht gehen? Wer Recycling will, muss es einfach machen.
Ein Vorschlag für mehr Pragmatismus:
Wie wäre es mit einem Schritt in Richtung Alltagstauglichkeit? Sammelcontainer für Gelber-Sack-Müll an zentralen Plätzen – wie es sie für Altglas längst gibt. Oder ein Holsystem auf freiwilliger Basis, bei dem Bürger*innen sich für eine Abholung anmelden können. Und: eine flächendeckende Biotonne, wo Kompostieren keine Option ist. Diese Vorschläge kosten Geld, ja. Aber sie sparen auch: CO2, Müllverbrennungskosten und nicht zuletzt Frust. Denn wer Müll trennen will, sollte es nicht schwerer haben als der, der ihn einfach in die Restmülltonne wirft.
Ein Gedanke zum Schluss
Wertstoffhöfe sind wichtig – aber kein Ersatz für ein intelligentes Sammelsystem. Wenn der Wille da ist, darf die Struktur nicht fehlen. Denn Nachhaltigkeit beginnt nicht erst beim Recyclinghof, sondern an der Haustür.
Martina Thalmayr
* Quelle: Abfallwirtschaftsbericht Landkreis Rosenheim, Stand 2023.